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Wir saften das!

Aktualisiert: 18. Aug.

Ich bin ja oft unterwegs und - ich kann nicht anders - lese deshalb viele Aufschriften auf LKWs, Handwerkervans, aber auch Firmenschilder in Dörfern und Städten. Das ist, man glaubt es kaum, sehr oft sehr lustig, aber manchmal wäre weniger mehr, vor allem, was die Kreativität anbelangt.

 

“Top of the Pops“, quasi der Olymp der home made Firmennamen ist - wer weiss warum, die Friseurbranche. Es beginnt bei mässig raffinierten Ideen: Haarmonie, Hairforce, Hairmony und, schon etwas gewagter, Schnittpunkt. Aber die Hüter(innen) des unterirdischen Wortspiels schrecken vor nichts zurück, noch nicht mal vor der noblen französischen Sprache: L’art de pl’Hair eine wahre Anforderung an die Sprachkompetenz. Fragt sich, ob dies den Kundenkreis nicht unnötig begrenzt. Also ich musste kurz nachdenken. Nicht nachdenken muss ich bei Art of Beauty. Fertig! Hört einfach auf mit diesem Art-of-irgendetwas-Mist. Handwerk hat goldenen Boden und Kunst ist Kunst.

 

Dann gibt es die Puristen: onlyhair, die anderen wollen um keinen Preis reduziert werden: auf der Website von more than hair steht dann allerdings prägnant: Mein Fokus liegt im Haarschnitt. Ja was jetzt? Und, wenn ich schon dabei bin: ich bestelle das Bild dieses “Fokus im Haarschnitt liegend“ (erinnert mich irgendwie an die “Susanna im Bade“). 

 

Und dann gibt es ja noch die durchaus sprechenden Namen, die aber zumindest im Ansatz auch was Bedrohliches haben: Coiffeur Schnippschnapp, zum Beispiel. Klingt final. Hair Solutions oder Hair to Go - Toupet Takeaway? Oder ist es einfach eine Versicherung: du hast noch Haare, auch nachher. A apropos nachher - mein bisher ungeschlagener All-time-Favorit ist VorundNachhair (genauso geschrieben) - das, meine Lieben, ist zu viel.

 

Bei Coiffeur Klipp hingegen habe ich noch nicht herausgefunden, ob es ein Wortspiel ist, oder ob der Gründer vielleicht Adalbert Klipp geheissen hat. Coiffeur Klipp wirbt (und damit sind wir im Bereich der Slogans gelandet) mit: Hair und Beauty seit über 17 Jahren. Ja, kann ich von mir auch behaupten. Hair seit deutlich mehr als 50 Jahren, Beauty mal weniger mal mehr.

Slogans sind ja eh eine Sache für sich. Die regionalen Gewerke reimen gerne, am liebsten im Dialekt: Für Decki und Wänd bruchsch em Waser sini Händ. Der Waser (mit den Händen) ist ein Gipsereibetrieb und ja, er macht Decken, Wände, Fassaden und Spezialitäten. Dazu gehört wohl das Reimen. “Hier müssen wir was gipsen“ - “Ja hol mal dem Waser seine Hände, sind in der untersten Schublade“. Ich stelle mir vor, wie der Waser dann mit blossen Händen Gips an die Decken schmiert. 

 

Aber immerhin hat sich Waser was ausgedacht. Schöni (internationale Logistik) tat das nicht. Einmal Tagesschau geguckt, Obama gesehen und schon steht auf allen Lastern Schöni - Yes we can! Obama cool, in Kombi mit Schöni aber nur noch mässig cool. Ginge auch für Friseure: Schnippschnapp - yes we can! Es bleibt bedrohlich. Aber zurück zur Logistik und Lagertechnik (Regale etc.). Schulte Lagertechnik präsentiert 2024 einen neuen Markenauftritt, der “mehr Freiraum“ schaffe (also ja, die könnten doch einfach alle Lager mit Lagertechnik räumen, dann gibt’s schon Freiraum) und zeigt sich mit dem (Zitat) “selbstbewussten Claim“ Wir regalen das. OK. Also der Punkt hinten, der macht es selbstbewusst. Habe ich das Wort unterirdisch schon benutzt?  Tiefpunkt? Weit gefehlt, es geht noch schlimmer.  Im Begleitbooklet zur Biotta Wellness-Saft-Woche steht als Motivationsspruch, man ahnt es, echt, kein Scheiss: Wir saften das. Das sind Momente, in denen ich mir das Meeting vorstelle, die Gespräche, die Kreativprozesse und dann kommt das kollektive “Yes“ (we can): wir saften das. Den nehmen wir, der ist lustig, originell und motivierend. Prima. Im Ernst: keiner, der Zweifel anmeldet? 

 

In diesem Sinne: Just do it - oder manchmal vielleicht doch besser nicht.

 

Und damit bin ich am Ende, und sage Tschüss - mit den Worten von Wiedmer Logistik (die einzigen Verkehrsteilnehmer die einen verabschieden, wenn man sie überholt)

 

Auf Wiedmersehen!

 

P.S. Für die eines Schweizer Dialekts mächtigen noch ein kleines Extra. Aufschrift auf dem Laster der Umzugsfirma Döbeli: “Dä Döbäli züglät Ihri Möbäli“ - sic.  ...wen wundert’s, dass wir nicht wirklich ernst genommen werden?!

 

Lesen!

Diesmal kein Buch - aber lesen Sie mal die vielen Aufschriften, Tafeln, Hinweise, Reklamen, die Ihnen tagtäglich begegnen. Es ist lustig, echt.

 
 

Annatina Escher Koromzay   |  Beratung Entwicklung Supervision  |  Vogelsangstrasse 48  |  8006 Zürich  |  +41 79 699 37 12

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